Geschichte

Geschichte der Hebbel-Gesellschaft

Der folgende Text wurde als Vortrag anläßlich des Jubiläums am 16. Juni 2001 bei der Jahrestagung der Hebbel-Gesellschaft gehalten. Im Blick auf den besonderen Anlaß blieb die Form der Rede weitgehend gewahrt. Der Text ist im Hebbel-Jahrbuch 2002 abgedruckt.

75 Jahre Hebbel-Gesellschaft

Zur Geschichte einer literarischen Vereinigung
Von Monika Ritzer

Die Hebbel-Gesellschaft feiert in diesen Tagen 1 ein stolzes Jubiläum: Sie blickt auf 75 Jahre erfolgreiches Wirken zurück. In der Geschichte literarischer Vereinigungen dieses Jahrhunderts ist dies ein außergewöhnlich zu nennender Erfolg. (Die Hebbel-Gesellschaft gehörte denn auch 1987 zu den Gründungsmitgliedern der heute bereits weit über hundert Vereinigungen umfassenden Arbeitsgemeinschaft literarischer Gesellschaften.) Ich möchte das Jubiläum daher zum Anlaß nehmen, um einige Stationen dieses Wirkens vorzustellen oder – und im Blick auf die langjährige Beteiligung einiger auch heute noch aktiver Mitglieder – in Erinnerung zu rufen.

Keimzelle der heutigen Hebbel-Gesellschaft war die "Hebbel-Gemeinde". Wie uns der erste Historiograph der Gesellschaft, Detlef Cölln, mitteilt – Cölln, Jahrgang 1876, in den 20er Jahren Rektor der Wesselburener Mittelschule, war Gründungsvorstand, später Sekretär und über dreißig Jahre lang Herausgeber der Jahrbücher –, regte sich der Gedanke, eine Hebbel-Gemeinde zu gründen, im Herbst 1925 während einer Sitzung des Ausschusses für das Hebbel-Museum. (Das Museum, damals noch im jetzigen Hebbel-Haus untergebracht, war bereits 1911 gegründet worden. 2 Vorformen der Wesselburener Hebbel-Pflege bildeten um die Jahrhundertwende vereinzelte Stiftungen zur Errichtung von Gedenkstätten.) Die Idee einer literarischen Vereinigung wurde dann, so Cöllns späterer Bericht 3 , unter den Mitgliedern des Ausschusses und Bürgern aus Wesselburen wie auch den umliegenden Dörfern, die sich für Hebbel interessierten, "vielfach und eifrig erörtert, teils sogar sehr heftig mit politischen Auseinandersetzungen". 4 Der Grund für diese frühe Politisierung Hebbels wird uns nicht mitgeteilt; doch dürfte sie wohl in kommunalen Streitfragen gelegen haben.

Einig war man sich allerdings in der Zielsetzung: Es galt, zunächst vor allem auf regionaler Ebene, dem fern seiner Heimat bekannt gewordenen Dichter auch und gerade hier "Freunde zu werben durch die Einführung in seiner Gedankenwelt" 5 , um sein Ansehen auf diese Weise dauerhaft zu begründen. Dazu kam noch ein handfestes finanzielles Interesse: Man brauchte Geld für den Ausbau des damals schon im Besitz der Stadt Wesselburen befindlichen Museums. Wie die erhofften Einnahmen zwischen Verein und Museum aufzuteilen waren, blieb zunächst noch offen.

Am 5. Dezember 1925 wurde die "Hebbel-Gemeinde" offiziell gegründet. In dem öffentlichen Aufruf zum Beitritt zur Hebbel-Gemeinde werden der Anspruch deutlich, den man mit dem Autor verband, und die Vorstellung von den Arbeitsbereichen einer, wie gesagt, zunächst "heimatlich" orientierten literarischen Gesellschaft. Ich zitiere aus dem Werbe- und Informationsblatt, das heute im Archiv des Museums aufbewahrt wird:

Die Erkenntnis, daß sich in Hebbel der größte Dramatiker der nachklassischen Gesellschaft verkörpert, der dem ganzen deutschen Volke gehört – nicht nur, wie es heute den Anschein hat, der gelehrten Welt –, und der Wunsch, das Andenken an ihn für Gegenwart und Zukunft wachzuhalten, haben [...] den Gedanken an einen Zusammenschluß nahegelegt.

Weiter heißt es: "Im geistigen Mittelpunkt der Hebbel-Gemeinde soll der Geburtsort des Dichters [...] stehen", wo bereits vor fünfzehn Jahren mit der Museumsgründung "willensstarke, von echtem Heimatsgefühl durchglühte Männer, nicht etwa gelehrten Standes" die abgerissene Hebbel-Tradition neu begründet und "dem großen Sohn ihrer Heimat" eine Erinnerungsstätte geschaffen hätten.

Ob diese Animosität gegen Intellektuelle zum Zeitgeist gehörte oder ob man nur Hemmschwellen gegenüber dem spröden Autor abbauen und gezielt das Interesse der heimischen Bevölkerung ansprechen wollte, ist heute wohl nicht mehr zu entscheiden. Das speziell regionale Interesse konnte man jedenfalls rechtfertigen durch die stattliche Riege weiterer norddeutscher Künstler und Intellektueller. Genannt werden im Aufruf unter anderem: Theodor Storm, Klaus Groth, Detlev von Liliencron, auch Adolf Bartels, Friedrich Paulsen, Niebuhr, Mommsen und Müllenhoff. Sie alle teilten, wie es hieß, mit Hebbel "wesentliche Grundzüge: innere Abgeschlossenheit, trotziges Sichaufsichselbststellen und unbedingte Heimattreue". Festzuhalten bleibt für die Verfasser des Aufrufs freilich, daß Hebbel im Vergleich mit den Genannten "unbestritten die Krone [gebührt]", habe er doch von allen "die größte Durchschlagkraft bewiesen und sich im wahren Sinn die Welt erobert". Man kam zwar in den folgenden Ausführungen nicht umhin zuzugeben, daß der gefeierte Dichter seinen Geburtsort bereits recht jung, nämlich mit zweiundzwanzig Jahren verlassen habe. Doch sei er seiner Dithmarscher Heimat stets verbunden geblieben, und man glaubte sich auf Hebbels eigenes Bekunden berufen zu können, wenn man summierend feststellte, daß er "seit seinem Auszuge aus Wesselburen keine neue Idee aufgenommen" habe. So sei es keine Frage, daß "die Hebbelforschung von Wesselburen aus zu beginnen" habe und die Stadt, mit zunehmender Breitenwirkung ihres großen Dichters, "schließlich zu einem Mittelpunkte der gesamten Hebbelforschung ausreifen" solle. (Im Blick auf die im Museum eingerichtete Forschungsstelle, die Publikation des Jahrbuchs und die biennalen internationalen Symposien kann man Wesselburen heute durchaus diese Reife attestieren.)

Kurz nach der ersten konstituierenden Versammlung bildete sich die für die Datierung unseres Jubiläums entscheidende Gesellschaftsform heraus. Geburtsdatum ist der 3. Juli 1926, an dem die "Gemeinde" Satzungen und einen Vorstand erhielt und sich damit zu einer Gesellschaft öffentlichen Rechts ausformte. Satzungsmäßige Aufgaben waren "1. Die Verbreitung und Förderung Friedrich Hebbels und seiner Gedankenwelt, 2. die Förderung des Hebbelmuseums." Diese Aufgaben waren, wie es heißt, zu lösen insbesondere durch "1. die Veranstaltung von Vorträgen über Hebbel-Themata, 2. durch die Darbietung Hebbelscher Dichtung und 3. durch Veröffentlichungen aus dem Lebens- und Wirkungskreis Hebbels". Der Name "Gemeinde" blieb für die neu gegründete Gesellschaft noch bis 1941 in Gebrauch.

Die Anfänge waren freilich noch etwas bescheiden. Die erste Vorstandssitzung fand am 3. September 1926 in Cöllns Dienstwohnung in der Mittelschule statt. Zum Gründungsvorstand gehörten, neben Cölln, der Landrat von Norderdithmarschen Dr. Dr. Kracht als Vorsitzender, der Wesselburener Pastor Francke als Schriftführer (von ihm stammt daher das erste Protokoll der Gesellschaft) und der Wesselburener Tischlermeister Ausborn, der das Modell von Hebbels Elternhaus im Museum anfertigte, als Kassenwart. Dazu kamen weiter Bürgermeister Hauffe und der Wesselburener Schornsteinfegemeister Herwig. Herwig war damals zugleich Leiter des florierenden "Guttemplervereins", der uns aus der Entstehungsgeschichte des Museums ebenso gut bekannt ist wie der "Enthaltsamkeitsverein Dramatik" (eine Verbindung, die uns heute ein Lächeln entlockt, in der Tendenz aber etwa der zeitgenössischen Kampagne "Sport gegen Drogen" entspricht). Beide Vereine trugen durch ihre Rührigkeit wie durch die eingeworbenen Gelder wesentlich zur Gründung des Museums bei. Nicht anwesend waren an diesem Tag die folgenden Vorstandsmitglieder: Bieder, ein Schriftsteller, der unermüdlich auf der Suche nach "Hebbel-Reliquien" war und auf diese Weise bei einem Hamburger Trödler Amalie Schoppes Iduna mit Hebbels Märchen Die einsamen Kinder entdeckt hatte; Prof. Dr. Krumm, Gymnasialdirektor in Glückstadt; schließlich der Hamburger Kriminaloberinspektor Clausen, der, in Wesselburen geboren, wesentliche Erkenntnisse zur Stadtgeschichte beigetragen hatte. Ergebnis dieser ersten Vorstandssitzung war unter anderem die finanzielle wie protokollarische Trennung zwischen Gesellschaft und Museumsausschuß. Damit war die Gesellschaft oder "Gemeinde", wie es ja zunächst noch offiziell hieß, erstmals ganz selbständig.

Die Probleme des ambitionierten Vereins waren allerdings sehr bald die gleichen wie heute. So gehörte und gehört es zu den wesentlichen Anliegen der Gesellschaft, Autographen, Bilder und andere Zeugnisse aus Hebbels Leben und Werk anzukaufen. Angesichts der von Beginn an mit zur Geschichte der Gesellschaft gehörenden Geldknappheit war und ist es jedoch nur selten möglich, das Angebotene zu sichern. Bereits kurz nach der Gründung griff der Vorstand daher auch zu unkonventionelleren Mitteln des Kultur-Sponsorings: Als 1927 Hebbels Enkelin Alida die Briefe Elise Lensings an Christine und Friedrich Hebbel für 15 000 Mark zum Kauf bot, entschloß man sich nach heftigen Debatten, eine öffentliche Lotterie einzurichten. Sie brachte tatsächlich den erhofften Erfolg. Man konnte die Briefe kaufen und sie im folgenden Jahr als Publikation der Gesellschaft veröffentlichen.

Auch die Einrichtung und Pflege von Dokumentationsstätten zu Hebbels Leben und Wirken gehört zur Geschichte unserer Gesellschaft, wobei sich die Formen der Präsentation natürlich mit der Zeit veränderten. Heute sind die Internet-Darstellung der Gesellschaftsinitiativen, der Unterhalt des sehr früh schon eingerichteten Pressearchiv und der ebenfalls traditionsreichen und laufend zu ergänzenden Spezialbibliothek im Museum wichtiger als die in früheren Jahrzehnten noch geforderte Etablierung neuer Büsten und anderer Hebbel-Gedenkstätten.

Im ersten Jahrzehnt nach der Gründung gab es noch kein Jahrbuch. Die Mitglieder der Gesellschaft erhielten als Zeichen des Verbundenseins zunächst Mitteilungsblätter, dann Jahresgaben. Es waren dies kleinere Publikationen mit teils erstmals veröffentlichten Hebbel-Dokumenten – auf deren Wertsteigerung man werbeträchtig hinwies – oder auch mit wissenschaftlichen Essays zu Themen der Forschung.

Ins Jahr 1939 fiel dann die Geburtsstunde der Hebbel-Jahrbücher, durch die sich die Gesellschaft oder "Gemeinde" erstmals einem breiteren Publikum präsentieren konnte. Erst mit dem Beginn der Jahrbücher erhielt sie daher wirklich überregionale Bedeutung. Die im Auftrag der Gesellschaft herausgegebenen Jahrbücher erschienen von 1939 bis 1943 und, nach kriegsbedingter Unterbrechung, wieder ab 1947. Publikationsort des Jahrbuchs war von Beginn an die Westholsteinische Verlagsanstalt Boyens und Co. in Heide, in der das Jahrbuch noch heute erscheint. Einzige Ausnahme war der 1949/50 andernorts gedruckte Band, der zugleich der einzige Doppelband unter den sonst jährlich publizierten Bänden blieb. 6

Bis 1959 fungierte Detlef Cölln als alleiniger Herausgeber der Jahrbücher. Im Anschluß daran übernahm der ihm im Amt des Sekretärs für sechzehn Jahre folgende Ludwig Koopmann die Aufgabe. Um den Sekretär zu entlasten, bildete man 1974 ein Herausgebergremium, zu dem fortan der Sekretär, der Vorsitzende und zunächst noch ein weiteres Vorstandsmitglied gehörte. Mit einer kurzen Unterbrechung hat sich diese Praxis bis heute erhalten: Präsident und Sekretär zeichnen gemeinsam für die Herausgabe des Jahrbuchs verantwortlich.

Bis in die 70er Jahre hinein war es noch möglich, für die Beiträge ein, wenn auch kleines, Honorar zu zahlen. Diese Regelung mußte allerdings mit den steigenden Kosten für die Herstellung der Bände aufgegeben werden. Auch die Erhöhungen der Mitgliedsbeiträge, die in den vergangenen Jahrzehnten beschlossen werden mußten, gingen jeweils auf erhöhte Jahrbuch-Kosten zurück. Gleichwohl war und ist das heute international renommierte Hebbel-Jahrbuch das Aushängeschild unserer Gesellschaft.

Ich kehre zu den historischen Stationen zurück. Im Jahr 1938 stand die Gesellschaft ganz im Zeichen von Hebbels 125. Geburtstag. Es gelang – aus heutiger Perspektive kaum noch vorstellbar – den Intendanten des Hamburger Schauspielhauses für die Feier zu gewinnen. Er stimmte einer Mitwirkung seines Hauses zu. Nur wollte man nicht auf einer "gewöhnlichen Gasthausbühne " spielen, wie man sie in einer kleinen Stadt erwartete, sondern wünschte ein dem Prestige des Ensembles angemessenes feierlicheres Ambiente.

Zur Verfügung stand der Bühnenraum im Hebbel-Museum, dessen Ausstellungsräume damals noch im zweiten Stock des heutigen Hebbel-Hauses untergebracht waren. Im Parterre befand sich ein Gastzimmer für den Ausschank alkoholfreier Getränke – ein Relikt des "Enthaltsamkeitsvereins Dramatik" – und eine durchaus schon geräumige, aber noch beträchtlich ausbaufähige Bühne. Als der Hamburger Bühnenbildner Gröning anreiste, um die Verhältnisse zu prüfen und das Bühnenbild für die hiesigen Verhältnisse zu konzipieren, nutzte er diese bühnenarchitektonische Chance und griff angesichts der vorhandenen Ansätze noch weiter aus: Er entwarf den Zuschauerraum gleich mit, indem er den bestehenden Saal und das Gastzimmer zusammenlegte.

Die Idee zündete, nur fehlte der Hebbel-Gemeinde wie der Kommune das Geld. Ein bekannter Hamburger Schauspieler half schließlich, durch persönlichen Kontakt, als Vermittler bei der Finanzierung: Senat und Schulbehörde Hamburgs gewährten einen Zuschuß von je 1500 Mark für den Umbau; zwei Hamburger Zeitungen schlossen sich mit je der gleichen Summe an. Daraufhin war auch der Kreis Norderdithmarschen gefordert: Er strich generös die 8000 Mark Schulden, die das Museum angesammelt hatte. Insgesamt standen so bald 20000 Mark für den geplanten Umbau bereit.

Dabei entstand der Raum in der Gestalt, wie man ihn heute noch (bei den Jahrestagungen oder Symposien der Gesellschaft) vorfindet, inklusive der opaken Fenster, die nach dem Zeitgeschmack an altdeutsche Butzenscheiben erinnern sollten. Die massiven Pfeiler, die den Raum unterteilen, kaschieren Eisenträger zur Abstützung des Obergeschosses. Der abstinenzlerische Ausschank wurde in den Nebenraum verlegt, wo sich heute eine Tagesstätte befindet.

Mit der so entstandenen Räumlichkeit hatte die "Gemeinde" eine würdige Mitte gefunden: Der Saal wurde offiziell zum "Hebbel- Gedenkraum" erklärt. Bei der Jahresversammlung nahm man den gemeinsamen Entschluß zu Protokoll, daß der mit Gesellschafts- und Gemeindemitteln errichtete Raum nie zu "seichten Veranstaltungen" hergenommen werden dürfe, sondern als "kulturelle Kirche" zu betrachten sei. Am 18. März 1938 ging in diesem neuen Wesselburener Festsaal dann die überregional beachtete Festaufführung von Maria Magdalene durch das Hamburger Schauspielhaus über die Bühne.

Auch für die im gleichen Jahr tagende Jahresversammlung konnte man das Schauspielhaus noch einmal mit Gyges und sein Ring gewinnen. Überhaupt gehörte die Bespielung der neuen Bühne fortan zum Programm jeder Jahresversammlung, wobei es in den folgenden Jahrzehnten zunehmend schwieriger wurde, geeignete Ensembles (wie auch Zuschauer) für Hebbels anspruchsvolle Stücke zu gewinnen. In den Annalen der Gesellschaft ist verzeichnet, daß sich das Kieler Stadttheater vorübergehend zur Ausrichtung von Aufführungen bereiterklärt hatte; doch gab man den Plan bald wieder auf. Später gelang es mitunter noch, Gastspiele zu organisieren. Manchmal konnte man auch Busreisen zu (von der Gesellschaft mit-initiierten) Aufführungen in Heide oder Kiel durchführen. Im letzten Jahrzehnt hätte man dafür allerdings immer weiter reisen müssen, und so verlagerte sich die Initiative zunehmend auf das private Interesse der einzelnen Mitglieder.

Aus heutiger Sicht ist die überregionale Anteilnahme an der Hebbel-Feier von 1938 der Beleg für eine offensichtlich noch breitere Hebbel-Rezeption; über die Gründe mag man spekulieren. Jedenfalls konnte das fünfundzwanzig Jahre später, 1963, anstehende Jubiläum zu Hebbels 100. Todes- und 150. Geburtstag daran, trotz intensiver Pressearbeit von Gesellschaft wie Museum, nicht mehr anknüpfen. So wurde der von der Gesellschaft beantragte Druck einer eigenen Briefmarke von der Post abgelehnt. Immerhin nahmen sich nun erstmals Rundfunk und Fernsehen in einzelnen Beiträgen der Vermittlung des Autors an. 7

1938 war das Selbstverständnis der Gesellschaft durch das unerwartet starke Echo der Presse entschieden gehoben worden. Man startete eine großangelegte Werbekampagne, um weitere Interessenten zu gewinnen. Wie uns Cölln berichtet, führte die Kampagne kurzfristig zwar nicht zum erwünschten Erfolg. (Sie hatte nur den Nebeneffekt, daß der Vorstand fortan kostenlosen Eintritt ins Hamburger Schauspielhaus erhielt.) Langfristig aber begann die Gesellschaft zu expandieren. Dazu gehörte, wie bei jeder literarischen Vereinigung, die Gründung von Ortsverbänden. So gelang zunächst 1939 die Gründung einer Ortsgruppe in Frankfurt, die allerdings bald wieder zerfiel. Kurz darauf etablierte sich ein erfolgreicherer Ortsverband in Berlin, der sich vor allem aus jungen Intellektuellen und Künstlern, Schriftstellern wie Malern, zusammensetzte und für mehrere Jahre, bis 1943, engagiert arbeitete.

Mai 1942 erfolgte unter tätiger Mitarbeit der jungen Gwendolin Schreckender (später verheiratete Stern), einer Urenkelin Hebbels, in Gmunden, wo der etablierte Dichter ein Sommerhäuschen erworben hatte, die Gründung der "Vereinigung der Hebbelfreunde im Gau Oberdonau". Zur feierlichen Gründungsfeier reisten auch die Vertreter der Hebbel-Gesellschaft an. Allerdings gelang es ihnen nicht, wie ursprünglich beabsichtigt, die Vereinigung in eine Ortsgruppe umzuwandeln; die Gmundner wollten ihre Selbständigkeit bewahren. So einigte man sich schließlich auf einen Freundschaftsbund mit gemeinsamen Zielen. Ermutigend wirkte das Versprechen der Gmundner Vereinigung, zum Jahrbuch inhaltlich beizutragen und, nicht zuletzt, jährlich 250 Exemplare fest abzunehmen.

Die bedeutsamste Ortsversbandsgründung fand am 4. Juli 1942 während einer außerordentlichen Tagung der Gesellschaft in Wien statt: In einem Festakt wurde die Wiener Hebbel-Gesellschaft ins Leben gerufen. Unter dem Vorsitz zunächst des Literaturhistorikers Prof. Dr. Josef Nadler, wenig später des Theaterexperten Prof. Dr. Heinz Kindermann 8 gewann sie schnell über 250 Mitglieder; sie löste sich mit Kriegsende auf. Bereits Ende der 50er Jahre gelang es allerdings Ida Koller-Andorf, wieder eine Wiener Friedrich-Hebbel-Gesellschaft ins Leben zu rufen. Sie formierte sich 1957 und ist bis in die Gegenwart mit wissenschaftlichen Veranstaltungen, werkbiographischen Ausstellungen und Publikationen zur Forschung aktiv.

Wir kehren noch einmal in die 40er Jahre zurück. Zu den Auswirkungen der von der Gesellschaft forcierten Öffentlichkeitsarbeit gehörte der überregionale Kontakt zu den Theatern. So entstand eine Verbindung zum Generalintendanten der Bühne in Bochum, die verschiedentlich schon sogenannte "Dichterwochen ", zu Goethe oder Shakespeare etwa, veranstaltet hatte. Nach einer Einladung zur Besichtigung des Hebbel-Museums entschieden die Stadtväter, im April 1939 eine Hebbel-Woche durchzuführen.

Dazu überführte man das gesamte Inventar des Wesselburener Museums nach Bochum. Für heutige Konservatoren ist das eine etwas leidvolle Vorstellung; für den Transport stand, wie es im Bericht heißt, ein Möbelwagen der Firma Kröger zur Verfügung. Immerhin trugen auch andere Institutionen, wie das Kieler Hebbel-Museum unter Leitung von Prof. Dr. Gerhard Fricke, das ihre zur Ausstattung bei. Der Leiter des Weimarer Goethe- und Schiller-Archivs überbrachte persönlich die Originale von Hebbels Tagebüchern und Dramen. Die Ausgestaltung übernahm das theaterwissenschaftliche Institut der Universität Köln. Es entwarf eine publikumsorientierte Aufstellung mit Rollenbüchern, Modellen, Szenarien und Figurinen, wie sie wohl auch heute noch auf Interesse stoßen würde. Die zwei Wochen dauernde Ausstellung, die nach Zeitungsberichten breite Resonanz in der Bevölkerung fand, wurde flankiert von Vorträgen und zahlreichen Aufführungen im Schauspielhaus. Insgesamt war die Bochumer "Hebbel-Woche" ein ausgesprochen großer Erfolg.

Zu den Folgen gehörte die von Bochum aus angeregte Veranstaltung einer Wiener "Hebbel-Woche". Sie begann 1942 im Anschluß an die Gmundner Gründung und bestand ebenfalls aus einer umfangreichen Ausstellung mit Dokumenten, die stilvoll in der Nationalbibliothek präsentiert wurde, aus Vorträgen und glanzvollen Aufführungen im Burgtheater wie in der Josefsstadt. Unter der Förderung des für Kultur zuständigen Baldur von Schirach (Gauleiter und Hitlers Reichsstatthalter in Wien) wurde sie, so Cölln, "ein weit ins Reich hinein wirkendes Ereignis". 9

Von diesen Großereignissen abgesehen, schränkte der Ausbruch des Krieges die Wirksamkeit der Gesellschaft notgedrungen ein. Doch gelang dem Vorstand offensichtlich die Anpassung an die beschränkten Verhältnisse. So brachte man es zuwege, daß die sogenannte Reichsarbeitsdienstabteilung 6/74 Heide sich "Gruppe "Friedrich Hebbel"" nannte. Cölln setzte hinzu, daß "jeder Arbeitsmann eine von mir verfaßte kurze Schrift über Hebbels Leben und Werk erhielt". 10 Über die Wirkung dieser Form von Propaganda liegen uns keine Informationen vor.

Aus der gleichen Zeit aber stammen bleibende Errungenschaften, nämlich die ersten wechselseitigen korporativen Mitgliedschaften, etwa zwischen der Hebbel- und der Wilhelm-Busch-Gesellschaft. Zur Zusammenarbeit mit den beiden anderen literarischen Gesellschaften der Region, der Theodor-Storm- und der Klaus-Groth-Gesellschaft, kam es erst nach dem Krieg. 1957 veranstaltete man erstmals eine gemeinsame Tagung. Diese Praxis sollte danach allerdings einzelnen gezielten Veranstaltungen vorbehalten bleiben.

Ins Jahr 1941 fiel die offizielle Umbenennung der "Hebbel-Gemeinde" in "Hebbel-Gesellschaft". Man wäre lange Zeit aus Bescheidenheit, wie es in den Annalen heißt, vor dieser Aufwertung zurückgeschreckt. Doch habe der alte Name schließlich etwas "kirchlich-sektiererisch" geklungen. 11 Zudem glaube man nun, die weitgespannten Interessen und Ziele der Vereinigung – die damals bereits 400 Mitglieder aufwies – auch durch diese Änderung zum Ausdruck bringen zu dürfen. In Anlehnung an bereits bestehende Namensgebungen – Goethe-, Kleist- und Grabbe-Gesellschaft – wurde auf der Jahresversammlung am 9. November 1941 die Namensänderung vorgeschlagen und einstimmig genehmigt.

Damit erhielt die Gesellschaft zugleich erstmals einen Präsidenten; Landeshauptmann Dr. Schow hatte dieses Amt von 1941 bis 1945 inne. Dem Präsidenten standen nach der neuen Satzung ein 1. und ein 2. Vorsitzender zur Seite. Detlef Cölln übernahm das ebenfalls neugeschaffene Amt eines Sekretärs, der bereits unter seiner Ägide zugleich eine aktive Rolle in Ausschuß und Arbeit des Museums spielte. Für die Geschichte der Literaturwissenschaft ist der Hinweis interessant, daß der nachmals zu den Großen seines Fachs zählende Universitätsdozent Dr. Fritz Martini, Hamburg, auf der konstituierenden Jahresversammlung einen Vortrag zum Thema Der Mensch in Hebbels Drama hielt.

Auch die Hebbel-Gesellschaft wurde natürlich von den Organisationsstrukturen des Dritten Reichs erfaßt. So war sie von 1941 an im "Gauvolksbildungswerk" vertreten. Außerdem wurde Cölln als Vertreter der Gesellschaft vom NS-Lehrerbund als Redner in Schulungslager geladen. Gleichwohl habe man sich dabei, so Cölln später, nach Möglichkeit politischer Stellungnahmen enthalten.

Wie sehr sich die Hebbel-Gesellschaft im Nationalsozialismus dem Zeitgeist freiwillig beugte oder für ihre Zwecke beugen mußte, ist auf der Grundlage der vorhandenen Dokumente kaum angemessen zu beurteilen. Gewiß wird Hebbel im Geleitwort zum ersten Jahrbuch von 1939 als der "nordischste aller deutschen Dichter " vorgestellt; im gleichen Buch findet sich eine Stellungnahme des "Rassenforschers" Günther zu Hebbels "nordischer Seele". 12 Bekannt und (von einem Hebbel-Stipendiaten) wissenschaftlich aufgearbeitet ist auch die Verflechtung der Gesellschaft mit dem in Wesselburen geborenen Literaturhistoriker und "völkischen" Dichter Adolf Bartels. 13 Insgesamt aber bot der Autor, abgesehen von seiner Bearbeitung des "altgermanischen Epos" in den Nibelungen, glücklicherweise nicht allzu viel ideologische Anschlußmöglichkeiten. Cölln sprach nach eigenem Bekunden im Schulungslager jedenfalls meist über Themen wie "Hebbel und das Religiöse".

Mitte der 40er Jahre heißt es in den Annalen dann lapidar: Trotz Bombenhagel und Kriegsunheil "verloren wir nicht den Mut, für Hebbel zu wirken". 14

Zu den wichtigen Projekten der Hebbel-Gesellschaft gehörte schon in den 30er Jahren die Publikation des Werks. Dabei beabsichtigte man zunächst eine photographische Erfassung aller Hebbel-Handschriften, um dann auf dieser Basis eine auf dreißig Bände veranschlagte Hebbel-Nationalausgabe zu edieren. Die Leitung lag bei Gerhard Fricke, der inzwischen zum Vorstand der Gesellschaft gehörte; Mitarbeiter und Verlag waren bereits geworben. Doch verhinderten, neben anderem, massive Bombenschäden im Verlagshaus die Weiterentwicklung des ehrgeizigen Projekts.

In den Nachkriegsjahren plante man dann vorübergehend eine neue Hebbel-Volksausgabe, die aber, zu Zeiten der Währungsreform, schon in der Subskriptionsphase scheiterte. Zu Beginn der 70er Jahre griff man erneut die Idee einer Werkausgabe auf. Im Blick auf die Probleme der Finanzierung wie die Schwierigkeit, geeignete Mitarbeiter zu gewinnen, diskutierte man nun aber, anläßlich einer eigens einberufenen Arbeitstagung, nur noch die Möglichkeit einer Überarbeitung der Wernerschen Ausgabe. 15

Zu Beginn der 90er Jahre kehrte die Gesellschaft zum ursprünglichen Plan einer neuen historisch-kritischen Ausgabe, nun unter dem Titel Wesselburener Ausgabe (WA), zurück. Wie bekannt, wurde das Projekt 1990 unter der Präsidentschaft von Günter Häntzschel erneut in Angriff genommen und – in Zusammenarbeit mit Hermann Knebel unter Mitwirkung von Otfrid Ehrismann, U. Henry Gerlach und Hargen Thomsen – mit der Herausgabe der fünf Briefbände in einer ersten Phase zum Abschluß gebracht. Weitere Schritte werden nach dem Beschluß des Vorstands folgen; augenblicklich laufen die Vorbereitungen zur Edition der Tagebücher.

Mit Kriegsende, 1945, löste sich die Hebbel-Gesellschaft wohl auch de iure, jedenfalls aber schon de facto auf: Der Präsident war verstorben, Vorstandsmitglieder ihres Amtes enthoben und Cölln vorübergehend im Entnazifizierungslager.

Detlef Cölln war es gleichwohl, der die Gesellschaft zwei Jahre später mit Unterstützung des schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten zu neuem Leben erweckte. Mit Erlaubnis der britischen Militärregierung wurde eine erste Versammlung zum Zweck einer Neuorganisation der Hebbel-Gesellschaft einberufen. Cölln entwarf neue Satzungen, die gleichfalls der Genehmigung durch die Militärregierung unterlagen. Man bestimmte den 18. März 1947, Hebbels Geburtstag, zum Tag der Erneuerung. Trotz heftigster Schneefälle und Heizstoffknappheit – zumindest ersteres wiederholte sich heuer am 18. März beim 90jährigen Jubiläum des Museums – kamen schließlich sechzig Mitglieder in den eiskalten Räumen der Mittelschule zusammen, um die Restituierung der Gesellschaft durchzuführen. Satzungsgemäßer Auftrag wurde es wieder, "die Dichtung und Gedankenwelt Friedrich Hebbels verbreiten zu helfen", weiter die, wie es nun heißt, "mit Friedrich Hebbel und seinen Zeitgenossen verknüpfte Forschung zu beleben und zu pflegen und schließlich das Hebbel-Museum zu fördern ". 16 Wenig später wurden die Satzungen der Gesellschaft beim Amtsgericht Wesselburen ins Vereinsregister eingetragen.

Wegen finanzieller Bedenken beschloß man zunächst, das Jahrbuch nur alle zwei Jahre erscheinen zu lassen; aus diesem Grund kam es 1949/50 zu einem Doppelband. Doch schon 1951 fühlte man sich durch die wieder anziehenden Mitgliederzahlen soweit gestärkt, daß man die Rückkehr zum alten Turnus wagte.

Den Vorsitz übernahm für drei Jahre Landrat Dorn; die Gesellschaft hatte das Präsidialamt zunächst zurückgestellt. Auftrieb erhielt die allmählich erstarkende Gesellschaft durch erste Neugründungen von Ortsgruppen in Flensburg, Heide und Hamburg, wobei sich besonders die bereits 1948 (unter der Leitung von Maria Schwoerer gegründete) Hamburger Gruppe zu einem engagierten Verein mit über hundert Mitgliedern entwickelte, der lange Zeit zu den Jahresversammlungen der Gesellschaft mit Sonderbussen anreiste und im Jahrbuch mit eigenen Berichten vertreten war. Mit Heinz Stolte stellte der Hamburger Verein später auch den Präsidenten.

Bald verlief das Vereinsleben wieder in geordneten Bahnen. Bereits in den 50er Jahren war die Gesellschaft auf über 500 Mitglieder aus dem In- und immer mehr auch dem Ausland gewachsen. (Im folgenden Jahrzehnt pendelte sich die Zahl auf 480 ein; in den letzten Jahren sank sie auf unter 450.) Der Restrukturierungsversammlung folgten im Ritus die Jahresversammlungen mit Sitzungen des engeren und weiteren Vorstands – bis in die 80er Jahre in wechselnden Gaststätten des Ortes –, wobei jeweils die satzungsgemäßen Mitgliederversammlungen und die damit verbundenen Tagungen vorbereitet wurden und noch werden.

1965 fiel die Jahresversammlung und 1976 die Tagung aus: Man mußte sparen, das erste Mal, um die Kosten des Jubiläums von 1963 wiederhereinzuholen, das zweite Mal zum Zweck einer umfassenden finanziellen Sanierung. Die Gesellschaft wurde in zunehmendem Maße von Zuschüssen der öffentlichen Hand und privaten Spendern abhängig, um die Dienste, die sie Hebbel-Interessierten aus aller Welt kostenlos anbot, wie auch die regionale Kulturarbeit aufrecht erhalten zu können. Mit schöner Regelmäßigkeit finden wir fortan in den im Jahrbuch abgedruckten Berichten der Vorstandssitzungen Vorschläge zur Förderung der Spendenbereitschaft. Auch ich darf mich bei dieser Gelegenheit der Bitte um gelegentliche (steuerabzugsfähige) Spenden anschließen.

Bei den jährlichen Mitgliederversammlungen sind satzungsgemäß nur die anwesenden Mitglieder abstimmungsberechtigt. Doch hatten bei den Veranstaltungen der Jahrestagung, die bis in die 80er Jahre im Bibliotheksraum des Museums abgehalten wurden, von Beginn an auch Nichtmitglieder als Gäste Zutritt. Wie die Annalen berichten, führte dies im Lauf der Jahre zu mehr oder weniger anregenden Begegnungen. So kam es 1948 zur Störung der Tagung durch einen in Büsum als Badegast weilenden Berliner, der – so Cölln in seinem Bericht merklich angewidert – wahrscheinlich "unter dem Einfluß Sartres stehend", sich zu einem verbalen Angriff auf Hebbels "erkünstelte" Dramen hinreißen ließ. Die existentialistische Attacke konnte allerdings, wie es heißt, durch Cöllns Erklärung abgeschmettert werden, daß Hebbels Dramenhelden entschieden "Entfaltungen von Wesenszügen seiner Seele" seien. 17 Auch Rechtfertigungsstrategien gehören zur Geschichte der Hebbel-Gesellschaft; die genannte hätte ihren Zweck zwanzig Jahre später wohl verfehlt.

Gespräch und Gedankenaustausch unter den Mitgliedern ermöglichte der gemeinsame Ausflug, die sogenannte "Gemeinschaftsfahrt" zu Zielen in der Region, die seit den 50er Jahren zu den Jahrestagungen gehörte. Wohl nicht zuletzt durch den wachsenden Bekanntheitsgrad der erreichbaren Ziele ließ der Zuspruch im letzten Jahrzehnt jedoch nach. Bei der Planung der Tagungen durch den Vorstand wurde der Ausflug daher durch eine lose Folge von Unternehmungen ersetzt. Dazu gehört allerdings stets, den Gästen unserer Tagungen aus dem In- und vor allem aus dem Auslands Hebbels Heimat in touristischen Rundfahrten vorzustellen.

Eine wichtige Einrichtung der Jahrestagungen war und blieb, bei den Abendveranstaltungen wie den Matineen, die Einladung von Festrednern aus dem Kreis der Hebbel-Forschung, aber auch aus dem Bereich des kulturellen Lebens. So sprach 1960 der Philosoph Martin Heidegger unter großem Öffentlichkeitsinteresse zum Thema Sprache und Heimat. Von den Germanisten sei stellvertretend nur Benno von Wiese erwähnt, der 1963 einen Vortrag mit dem Titel Der Tragiker Friedrich Hebbel hielt. Man darf sagen, daß es der Gesellschaft bis jetzt gelungen ist, alle bedeutenden Hebbel-Forscher aus dem In- und Ausland für Wesselburen zu gewinnen.

1951 übernahm mit Prof. Dr. Klaus Ziegler (Göttingen) erstmals ein Wissenschaftler und Akademiker den Vorsitz der Gesellschaft. Mit einer Ausnahme – von 1986 bis 1990 hatte Barbara Wellhausen-Stern, Leiterin des Museums, die Leitung der Gesellschaft inne – blieb dies bis heute so, weil es der Gesellschaft zugleich die Verbindung zu den Forschungseinrichtungen und deren finanzieller Unterstützung sichert. Auf Ziegler folgte für zwei Jahre Prof. Dr. Gerhard Fricke (Tübingen, dann Istanbul). Von 1954 bis 1959 fungierte Prof. Dr. Wolfgang Liepe (Kiel) als Vorsitzender. Es folgten von 1959 bis 1962 der als Goetheforscher bekannt gewordene Prof. Dr. Erich Trunz (Kiel), und schließlich Prof. Dr. Heinz Stolte. Unter seiner auch regional sehr bewährten, über zwanzig Jahre währenden Leitung der Gesellschaft von 1962 bis 1983 wurde 1980 das Amt eines Präsidenten wieder eingeführt. Als Präsident wirkten in der Folge: Prof. Dr. Ottfrid Ehrismann (Gießen) 1983/84, Prof. Dr. Lohmeier (Kiel) 1985/86, nach Barbara Wellhausen- Stern von 1990 bis 1999 Prof. Dr. Günter Häntzschel (München); seit 1999 obliegt mir die Leitung der Gesellschaft. Doch Präsidentin oder Präsident wären nichts ohne den Sekretär: Seit 1987 gibt Volker Schulz, in Personalunion Museumsleiter, der Gesellschaft den nötigen organisatorischen und regionalen Rückhalt. In der Nachfolge Ludwig Koopmanns lag die Verwaltung der Gesellschaft von 1975 bis 1978 in den Händen von Dr. Hilmar Grundmann (Hamburg), von 1975 bis 1978 bei Eckart Oldenburg (Wesselburen) und von 1978 bis 1984 bei Wolfgang Damms (Heide).

Die Leitung der Gesellschaft durch Wissenschaftler führte zu Veränderungen im Jahrbuch, die zunächst nicht unumstritten blieben. 1952 fand im Vorstand eine erregte Diskussion über den Charakter des Jahrbuchs statt, dem Kritiker eine zu starke innere Divergenz zwischen populären und wissenschaftlichen Beiträgen vorgeworfen hatten. Das Jahrbuch hatte zunächst auch heimatkundliche Beiträge gedruckt, sich mit den Jahren aber auf Dokumente und Arbeiten zu Hebbels Leben und Werk beschränkt – mit wenigen Ausnahmen 18 – und dabei den Forschungsaspekt intensiviert. 1962 führte man dann eine eigene Sparte ein, in der Forschungsergebnisse vorgestellt und rezensiert wurden. (1991 kam der – nun von Hargen Thomsen betreute – Theaterbericht als eigene Rubrik hinzu.) Man einigte sich bereits 1952 im Vorstand dahingehend, daß man die seit Jahren bestehende Entwicklung des Jahrbuchs zu einem überregional beachteten Organ der Hebbel-Forschung nicht zurücknehmen wollte. Zugleich aber sprach man sich dafür aus, nach Kräften dem legitimen Interesse der aus unterschiedlichen Berufssparten kommenden Mitglieder an allgemein verständlichen und lesbaren Beiträgen zu Hebbel zu entsprechen.

Diese Vermittlung zwischen Lesern und Wissenschaftlern ist freilich eine Gratwanderung, wie sie für alle literarischen Vereinigungen gilt. Sei es die Kleist-, die Novalis- oder die Rilke-Gesellschaft, in jedem Fall geht es nicht nur bei den Publikationen, sondern auch bei der Organisation von Jahrestagungen und Veranstaltungen immer wieder darum, die Belange beider Gruppen, der Verehrer des Dichters und der germanistischen Zunft, angemessen zu berücksichtigen.

Keine literarische Gesellschaft kann es sich heute leisten, auf eine der beiden Gruppen zu verzichten; in der Regel stellen beide ja auch etwa die Hälfte der Mitglieder. Ohne die Fachleute verlöre der Autor das wissenschaftliche Prestige, das für die Tradierung seines Werkes durch Werkausgaben, Symposien – wie sie die Hebbel-Gesellschaft seit 1991 mit zunehmend internationaler Beteiligung in Wesselburen veranstaltet – und Forschungsarbeiten unerläßlich ist. Ohne die aus allen Zweigen der Gesellschaft kommenden Verehrer und Leser aber wäre der Dichter nicht lebendig und seiner ureigenen, der literarischen Wirkung beraubt. Dieses engagierte Publikum bildet nach wie vor den Kern jeder literarischen Gesellschaft, die als Institution wiederum das Interesse einer breiteren Öffentlichkeit wach hält und damit entscheidend beiträgt zur Repräsentanz eines Autors in der kulturellen Diskussion, den Schulen, den Medien und, im Fall Hebbels, vor allem auch auf den Bühnen des In- und Auslands.

Im Namen der Hebbel-Gesellschaft möchte ich mich daher an dieser Stelle bei allen Mitgliedern für ihre teils langjährige Mitwirkung wie auch für ihren finanziellen Beitrag zu unseren zahlreichen Initiativen bedanken und wünsche uns allen eine dem Andenken Hebbels förderliche Zusammenarbeit.

Quellen

  1. Der Vortrag wurde anläßlich des Jubiläums am 16. Juni 2001 bei der Jahrestagung der Hebbel-Gesellschaft gehalten. Im Blick auf den besonderen Anlaß blieb die Form der Rede weitgehend gewahrt.
  2. Zur Geschichte des Museums vgl. den Aufsatz von Volker Schulz im demnächst erscheinenden Band Dichterhäuser (hg. von Hans Wißkirchen).
  3. Detlef Cölln: Zur Geschichte der Hebbel-Gesellschaft. Teil I: HJb 1956, S. 112–120; Teil II: HJb 1957, S. 121–132; Teil III: HJb 1958, S. 116–127.
  4. HJb 1956, S. 112.
  5. HJb 1956, S. 112.
  6. Die doppelte Jahreszahl bei HJb 1971/72 ist nur das Resultat einer Umstellung auf Vordatierung (vgl. S. 5).
  7. Zu den Sendungen im Jubiläumsjahr 1963 vgl. HJb 1963, S. 232.
  8. Zur Verquickung der beiden Wissenschaftler mit dem Nationalsozialismus vgl. Jost Hermand: Geschichte der Germanistik. Reinbek 1994, S. 98–113. Dort finden sich auch weiterführende Literaturangaben.
  9. HJb 1957, S. 123.
  10. HJb 1957, S. 119.
  11. HJb 1941, S. 118.
  12. HJb 1939, S. 5 und S. 116.
  13. Thomas Neumann: Völkisch-nationale Hebbelrezeption. Adolf Bartels und die Weimarer Nationalfestspiele. Bielefeld 1997.
  14. HJb 1957, S. 125.
  15. Zur Diskussion vgl. HJb 1970, S. 148 f.
  16. Der Wortlaut wurde in die neue Fassung der Satzung vom 23. Mai 1987 (HJb 1988) übernommen.
  17. HJb 1958, S. 126. 23
  18. Seit den 50er Jahren gibt es Überlegungen, das Spektrum des Jahrbuchs zu erweitern und auch nicht Hebbel-spezifische Arbeiten, etwa "zu uns heute interessierenden Problemen" zu publizieren (Cölln: HJB 1952, S. 5).Doch blieb es bei vereinzelten Beiträgen, wie dem von Cölln publizierten Beitrag Zieglers zum expressionistischen Drama. In der Regel bedarf es bis heute eines – wie auch immer gearteten – Bezugs zu Hebbel.

Wenn ein Schuster-Junge den Lear recensirte und sagte: dieß Stück hat keine Bedeutung für mich, ein Kunstwerk soll aber für die ganze Welt Bedeutung haben und die Welt ist nicht ganz ohne mich: wer wollte ihn widerlegen? Das muß man sich in’s Gedächtniß zurückrufen.

Tagebuch, 4. April 1847

Entsetzlich schwül. Gewitter stehen über dem Tal und entladen sich nur unvollständig. Putlitz speist bei der Großherzogin von Mecklenburg, auch Uechtritz ist in Beschlag genommen, aber die Einsamkeit ist mir ganz recht, das viele Reden von gestern hat mich förmlich erschöpft, eine mir völlig neue Erfahrung. Das Hantieren der Mägde in den Badehäusern mit dem Thermometer, wie anderwärts mit Borst und Flederwisch; wunderliches Bild. Die Glocke schlägt hier so langsam, als ob sie zugleich zählte und sich immer verzählte.

Tagebuch, Marienbad 16. Juli 1854